Es war beschlossen. Mit unserer Tochter, damals zehn Monate alt, sollte es nach Asien gehen. Bereits bei der Planung dieser Reise wurde uns schnell bewusst: Wir wurden nicht nur schräg von unseren Mitmenschen dafür angeschaut. Nein, wir hatten auch mit jeder Menge Vorurteile zu kämpfen.
Reisen mit Baby. Dieses Thema könnte nicht unterschiedlicher diskutiert werden. Ob in der Familie, im Freundes- und Bekanntenkreis oder auf der Arbeit. Überall ist klar, dass jeder eine Meinung dazu hat. Und die gehen teilweise ganz schön auseinander. So auch bei uns, als wir verkündeten, dass wir zwei Monate durch Asien reisen wollen. „Echt?! Mit dem Baby nach Asien? Backpack? Das ist doch ganz schön gefährlich und leichtsinnig! Habt ihr keine Angst? Was ist mit dem langen Flug? Dem heftigen Klimaunterschied? Und was ist mit Krankheiten vor Ort?“ Zack, da waren sie. All diese Sätze, die mir vermittelten sollten: Du bist doch einfach nur wahnsinnig egoistisch. Wie viele Male ich diese Sätze gehört habe, kann ich schon gar nicht mehr sagen. Es war nur so oft, dass ich beschlossen habe, gar nicht mehr von alleine über unsere Asienreise zu reden. Mich ständig zu rechtfertigen und zu erklären, dass es wirklich so einfach gehen kann und eben alles andere als egoistisch ist, das war es mir nicht mehr wert. Diese Menschen waren es mir nicht wert. Eine Reise ans andere Ende der Welt. Zu erklären, wie unkompliziert und einfach es sein kann und dass man keine Angst haben muss – darauf hatte ich irgendwann keine Lust mehr. Es hatte doch eh keinen Sinn. Sie wollten sich gar nicht bekehren lassen. Lieber engstirnig weiterdenken.
Es war spät am Abend als ich im Wohnzimmer saß und auf meinen Mann wartete, der sich noch mit ein paar Freunden zum Bierchen verabredet hatte. Ich konnte es kaum erwarten. Denn ich hatte den Entschluss gefasst und hoffte nun so sehr, dass ich Basti mit an Board holen konnte.
Asien mit Baby also. Wie verrückt eigentlich. Aber wie selbstverständlich doch irgendwie. War es denn wirklich so abwegig? So gefährlich? So verantwortungslos? Mit seinem Baby in die Ferne, in fremde Länder, in eine ganz andere Welt zu tauchen? Oder sollte es genau die richtige Entscheidung sein? Zu einem Zeitpunkt, den man besser hätte nicht wählen können? Weil es nie wieder so einfach werden würde? Weil es genau die Barriere im Kopf lösen sollte, die uns davon abhielt, das Leben eben so zu nehmen wie es kommt. Positiver zu werden. Spontaner zu werden. Und noch bevor es losging, wusste ich bereits: Es war die richtige Entscheidung.
Von Vietnam über Kambodscha nach Thailand. Von Saigon über Angkor Wat, über Bangkok nach Krabi. Und damit der erste Teil unserer Asien Route. Von Backpack Life bis hin zum Kochkurs in den Slums. In den ersten vier Wochen unserer Reise durch Asien haben wir wirklich schon so einiges erlebt. Mehr als ich mir im Vorfeld je hätte vorstellen können. Mehr als uns alle zugetraut haben. Schließlich waren mein Mann und ich nicht alleine unterwegs. Sondern mit einem zehn Monate alten Baby an unserer Seite. Unserer Tochter. Dem besten Travelbuddy aller Zeiten, wie sich herausstellen sollte.
Dass es einfach werden würde, hat niemand behauptet. Dass es hier und da auch so richtig stressig werden könnte - auch davon bin ich fest ausgegangen. Wir haben uns einfach auf alles - und doch nichts eingestellt. Es einfach auf uns zukommen lassen. Uns treiben lassen - ohne strikten Plan. Jeden Tag einfach so zu nehmen, wie er kommt. Uns nicht festzulegen, egal was wir machen oder wie lange wir es machen. Von Tag zu Tag neu zu entscheiden, wohin uns die Reise, unser Abenteuer wohl hinführen mag. Und ja - wir waren bereit. Aber sowas von.
Auf die Plätze, Planung los...!
Wir zogen los und schafften uns waschechte Backpack Rucksäcke an, kauften eine qualitativ hochwertige Trage und buchten die Flüge. Über Dubai sollten wir unsere erste Station in Vietnam haben.
First Stopp: Ho Chi Minh. In der vietnamesischen Hauptstadt, die ich immer noch lieber Saigon nenne, sollten wir zum ersten Mal asiatischen Boden berühren. Ich erinnere mich noch genau an die warme Luft, die meine Haut berührte, an den Geruch, eine Mischung aus Abgasen und Fisch. Es war heiß und es war laut. Ich war sofort überwältigt: von den wuselnden Menschenmassen, dem Lärm, dem Staub, der Hitze, dem Verkehr, den Gerüchen, und der feuchten Tropenluft! Alles, was man in Asien erwartet, trifft einen hier sofort wie ein Faustschlag. Fünf Nächte sollten es sein. Die Entscheidung, nicht länger in Vietnam zu verweilen, fiel mir schwer. Zu gerne hätte ich mehr von dem Land und seiner unbeschreiblichen Schönheit kennengelernt. Doch leider sollte die Zeit dafür zu knapp werden und es wäre diesem Land einfach nicht gerecht geworden. Vietnam verdient mehr. Es verdient es, sich für seine Menschen, seine Landschaft und seine Lichter Zeit zu nehmen. So schnupperten wir zumindest einmal kurz hinein, um dann wieder in den Flieger zu steigen.
Von Kambodscha und seinen atemberaubenden Tempel von Angkor träume ich noch heute. Noch nie, nie habe ich sowas Schönes gesehen. Noch nie solch ausgeglichen und freundliche Menschen getroffen. Als die Sonne über Angkor Wat aufging und mir, als sie über der Tempelanage aufging, ins Gesicht leuchtete, schaute ich zu unserem Fahrer Narin hinüber. Ich konnte es einfach nicht fassen. Da standen wir. Tatsächlich. In Kambodscha. Abgefahren. Wer aber das Land verstehen will, sollte auch hinter die schönen Kulissen schauen. Wir fuhren einen Tag raus aufs Land. Weit raus. Zu einer Schule. Schafften uns einen kleinen, aber sehr intensiven Eindruck vom alltäglichen Leben der Kambodschaner. Und ihren Problemen.
Thailand, nach fast zwei Wochen Rundreise, fühlte sich nach diesen Erlebnissen direkt bisschen nach - sagen wir mal - Heimat an. Obwohl wir nicht schlecht über den Verkehr staunten. Hier lohnt es sich nirgends, in ein Taxi zu steigen. Ich frage mich: Kommen die Thailänder je in Bangkok irgendwo an? Nirgends sonst schien mir die Schere zwischen Armut und Reichtum so präsent, so offensichtlich wie in der thailändischen Hauptstadt zu sein. Dort, mitten in den Slums, machte ich einen Kochkurs. So lernte ich nicht nur traditionelle, thailändische Gerichte kochen, sondern fand heraus, woher die Thailänder ihre Lebensfreude zu nehmen schienen. Über Krabi reisten wir weiter nach Koh Lanta. Eine Insel. Liebe auf den ersten Blick. Hier kamen wir zur Ruhe, entspannten und lebten in den Tag hinein. Manchmal saßen wir einfach nur nebeneinander, viele Minuten lang. Und sagten gar nichts. Schauten nur aufs Meer und sahen zu, wie die Sonne im Meer versank. Es fiel uns schwer, nach über zwei Wochen von ihr Abschied zu nehmen. Es würde uns fehlen - ja, fast schon lieb gewonnene Freunde dort zurückzulassen. Ich wusste, sie alle würden mir fehlen. Es würde mir fehlen, im Fruit Tree House meinen Kaffee zu trinken. Die Sonnenuntergänge, die Strände, die Musik in den Hippie-Bars am Khlong Kong Beach, die simple organische Reissuppe der alten Frau aus der OldTown, die sie für ihren Sohn angefertigt hatte und mit unserer Paulina teilte. Ja, all das würde ich so sehr vermissen. Mit der Fähre ging es über Phi Phi nach Phuket.
Nicht ohne ein Souvenir sollten wir uns von Thailand verabschieden. Und damit meine ich nicht Carolina, die seit Koh Lanta in meinem Bauch langsam heranwuchs. So schifften einige Kunstwerke aus Thailand schon zu uns nach Hause, während wir erst einmal weiter reisen sollten.
In Singapur angekommen stiegen wir nachts in ein Taxi, das uns nach Chinatown bringen sollte. Es war eine lange Fahrt vom Flughafen bis zum Hotel und mir fielen immer wieder die Augen zu. Doch als wir über die große Brücke fuhren, die uns ins Herz von Singapur bringen sollte, verschlug es mir den Atem. Da war sie: die wohl schönste Skyline der Welt. Mir fiel buchstäblich die Kinnlade runter. Es war so überwältigend, dass mir Tränen aus den Augen schossen. Am selben Abend speisten wir inmitten unzähliger Besucher, zwischen den Türmen dieser atemberaubenden Skyline. Dort aßen wir Sate-Spieße, lachten und plauderten bis spät in die Nacht. Während Paulina in der Trage schlummerte. Seitdem haben wir nie wieder so gute Sate- Spieße gegessen, behauptet zumindest Basti immer noch. Zum Abschluss unserer Route reisten wir durch Bali. Zwei Wochen lang. Vom Süden in den Norden. Von Seminyak über Ubud nach Lovina. Und zurück. Nach Jimbaran und Uluwatu. Und dort, auf Bali, machte Basti seinen Tauchschein zu Ende - und mir einen Heiratsantrag.
Es hat sich alles gelohnt
Ja - diese Reise hat sich gelohnt. Unser Mut hat sich gelohnt. Es war ein einmaliges Erlebnis mit ganz besonderen und einzigartigen Momenten. Momente, die wir nie wieder vergessen werden. Die uns geprägt haben. Für immer. Diese Reise hat unsere Gemeinsamkeit gestärkt, unser Vertrauen gefestigt, uns ein ganz neues Gefühl von Freiheit vermittelt, unser Bewusstsein für die Natur geschärft, uns fremden Kulturen und Traditionen näher gebracht. Es war eine Erfahrung, die uns hat wachsen lassen, die uns stärker gemacht hat, die uns gezeigt hat, dass alles möglich ist, wenn man seine Ängste überwindet und einfach sich und seinen Fähigkeiten vertraut.
Eure Teresa