Ein Gastbeitrag von Elisabeth Koblitz

Dass Dinge hier anders laufen, verstand ich spätestens, als ich in den Wehen lag und es an der Tür des Kreißsaals klopfte.....Zwei resolute Damen der Krankenhausbuchhaltung wollten wissen, ob jetzt ein guter Zeitpunkt sei, um die Anzahlung zu kassieren. Mit der Kreditkarte in der Hand eilte mein Mann mit ins Büro und beglich die erste Rechnung von 5000 Dollar. Eineinhalb Stunden später erblickte unser Töchterchen das Licht der Welt. Welcome to America!

Es folgten etliche weitere Rechnungen. Am Ende zahlten wir für eine natürliche, komplikationslose Krankenhausgeburt mit zwei Übernachtungen umgerechnet mehr als 20.000 Euro. Ein Sonderpreis, denn mein Mann hatte zuvor 20% Rabatt ausgehandelt. Große Versicherungskonzerne verhandeln deutlich günstigere Konditionen. Sogenannten Selbstzahlern wie uns knöpfen die Kliniken oft ein Vielfaches mehr ab. Der landesübliche Turbokapitalismus im Krankenhaus. Denn dadurch, dass wir eine deutsche Krankenversicherung haben, gelten wir im amerikanischen Gesundheitssystem als individuell zu betrachtende Selbstzahler. Arzt-, und (zum Teil) Krankenhausrechnungen müssen wir also erstmal aus eigener Tasche direkt vor Ort begleichen. Da kommen schnell enorme Summen zusammen. Denn allein schon U-Untersuchungen beim Kinderarzt oder eine Vorsorgeuntersuchung beim Zahnarzt kosten häufig mehrere Hundert Dollar.


Kein anderes Land der Welt gibt so viel Geld für sein Gesundheitssystem aus wie die USA: Die jährlichen Gesundheitsausgaben pro Kopf betrugen im Jahr 2018 in den USA 10.586 Dollar  (im Vergleich: Deutschland gibt 5986 Dollar jährlich pro Kopf aus). In vielen Ländern Europas sind die Gesundheitssysteme für jeden zugänglich und solidarisch finanziert. Sprich: alle Bürger zahlen in das Gesundheitssystem ein, ob über Steuern und/oder über Versicherungsbeiträge. In den USA wird das Gesundheitswesen hauptsächlich von privaten Versicherungen getragen, ein deutlich geringerer Teil ist in öffentlicher Hand. Die meisten Amerikaner (ca. 56 %) sind über ihre Arbeitgeber versichert. Dies ist, abgesehen von Tarifverträgen, keine verpflichtende Sozialleistung. Die Versicherungsbeiträge teilen sich oftmals Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Da der Arbeitgeber auch Vertragspartner der Versicherung ist, verlieren die Arbeitnehmer mit dem Job häufig auch ihre Krankenversicherung. Es gibt unterschiedlichste Versicherungsmodelle, z.b. Gruppenversicherungen oder Versicherungen, die direkt mit einem Ärztenetzwerk und Pharmaunternehmen kooperieren. Wer es sich leisten kann, versichert sich privat. Über den Staat sind sog. sozial Schwache (Medicaid), sowie Rentner und Menschen mit Behinderung (Medicare) versichert. Auch für Soldaten und ihre Familien gibt es eine eigene Krankenversicherung. 72 Millionen Amerikaner waren 2018 über Medicaid versichert. Erst seit Einführung des Affordable Care Acts (besser bekannt als „Obamacare“) besteht für die meisten US-Bürger eine Versicherungspflicht. Durch die Reform sind zwar Millionen mehr Menschen versichert, so sank die Zahl der Nicht-Versicherten von 14,8 Prozent  (2012) auf 8,9 Prozent (2018).

Dass fast 28 Millionen Amerikaner keine Krankenversicherung haben, liegt zum Teil daran, dass einige Menschen durch ein Raster fallen: sie verdienen zu viel, um sich für das Medicaid-Programm zu qualifizieren und zu wenig, um sich eine private Krankenversicherung leisten zu können. Andere wiederum sind gegen eine vom Staat auferlegte Versicherungspflicht und zahlen lieber eine Strafgebühr von 2% des Haushaltseinkommens. 

Doch warum ist das Gesundheitssystem in den USA so unglaublich teuer?

Amerikas Gesundheitssystem ist auf maximalen Profit aufgebaut: in den USA ist alles teuer, vor allem Medikamente. Denn hierzulande gibt es kaum Regulierungen für Medikamentenpreise und so können Pharmaunternehmen im Grunde fast jeden x-beliebigen Preis verlangen. Ein Beispiel: Das Medikament  „Insulin glaragin“ kostet in den USA 186 Dollar, in Deutschland lediglich umgerechnet 38 Dollar. So werden Preise für Untersuchungen scheinbar willkürlich festgelegt. Ein Beispiel: die Kosten für eine Computerthomografie variiert zwischen 500 und 5000 Dollar - je nachdem in welchem Krankenhaus man behandelt wird. Hinzu kommen die hohen Verwaltungskosten des Gesundheitswesen. Sie belaufen sich auf 8 Prozent (in anderen Ländern 1-5 Prozent).

Doch auch, wenn Amerikaner versichert sind und hohe Beiträge zahlen: fast alle Krankenversicherungen haben hohe Selbstbeteiligungpflichten. Nicht selten greift der Versicherungsschutz erst nach 10.000 Dollar Eigenanteil. Und: Selbst Menschen, die über Medicaid versichert sind, müssen häufig Kosten, zum Beispiel für Medikamente übernehmen. Für einige von ihnen bedeutet dies, sich zwischen dem Gang zum Supermarkt oder zur Apotheke entscheiden zu müssen.

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