Heute stand ich da. Mitten im neuen, riesengroßen Komplex. In den Fluren der Universität Essen, die zu diversen Hörsälen führen. Fast hinter jeder dieser Türen fand gerade eine Vorlesung statt. Hinter jeder dieser Türen verbagen sich Studenten, die sich mit viel Engagement, Freude und Ehrgeiz auf ihre Zukunft vorbereiteten. Und so fing ich unwillkürlich an, mich daran zu erinnern. An meine akademische Laufbahn und was seither so alles passiert ist. Und wie ich so da stand, tief versunken in meinen Erinnerungen, stellte sich mir plötzlich die Frage: Wie wird das Ganze hier für meine Kinder in knapp zwanzig Jahren mal aussehen? Meine Kinder auf die Zukunft vorbereiten - kann ich das eigentlich überhaupt?
Wir reden davon wie schnell die Zeit vergeht. Doch noch viel schneller entwickelt sich unsere Welt. Dieser rasante Fortschritt wird ganz andere Anforderungen an unsere Kinder stellen, als wir sie bisher erlebt haben. Und sie stellt uns als Eltern vor diese eine große und besondere Herausforderung, wie wir wiederum unsere Kinder auf dieses Leben vorbereiten. Wie sieht es aus, das Leben für unsere Kinder - in zwanzig Jahren? Wird das Leben unserer Kinder noch rasanter, noch technischer? Mit wie viel Klimawandel müssen sie 2030 fertig werden? Oder wird ihre Zukunft, die heute düster erscheint, vielleicht doch rosig?
Es war einmal...
ein junges, ambitioniertes Mädchen. Ich erinnere mich noch daran, wie ich damals mit meinem recht guten Abizeugnis in der Hand am letzten Schultag da stand und so absolut keinen Plan hatte, was nun folgen sollte. Studieren, richtig? Das macht man so, oder? Also gut. So bewarb ich mich. In Köln. In Münster und in Bonn. Ich schrieb mich ein. Für BWL und für Medienwissenschaften. Und für weitere 5 Studienfächer. Sicher ist sicher.
Und dann kamen sie: die Absagen.
So stieß ich erst ein Jahr später dazu und immatrikulierte mich auf einer Hochschule für Medienmanagement. Warum das? Weil ich in diesem einem Jahr Leerlauf natürlich nicht untätig war und Unmengen an Praktika absolvierte. Im selben Jahr habe ich mir auch eine Wohnung gesucht und es geschafft, mich selber zu finanzieren. Auch ging ich neben den Vorlesungen noch arbeiten. Kellnern. Sechs Tage die Woche. Jeden Abend. Und ja – es war hart. Verdammt hart sogar. Immer wieder die Kraft dafür zu finden. Die Konzentration zu haben. Die Power nicht zu verlieren. Es weiter durchzuziehen. Denn von nichts, dakommt nichts - richtig? Und irgendwann hatte ich ihn in der Tasche - meinen Bachelor. Und die Rede ist nicht von einem dümmlichen Typen, wie man ihn aus den privaten TV-Sendern kennt, sondern von einem echten wissenschaftlichen Grad, den ich erreichte. Und so war ich mir sogar auch ziemlich sicher, gebraucht zu werden.
Doch die Ernüchterung folgte rasch: Ja - wo waren sie denn alle bloß? All die Unternehmen, die sich um mich rissen? Ich habe doch alles richtig gemacht. Ich studierte rasch, war fleißig, zielstrebig, sprach mehrere Sprachen und fühlte mich sehr gut ausgebildet. Also warum zum Teufel gab es keine Stellenausschreibungen auf die ich mich hätte bewerben können?
Stattdessen bot mir jeder Verlag, jede Werbeagentur, jedes PR-Unternehmen „nur“ eine Praktikantenstelle an. Aber ich hatte doch schon Praxiserfahrung gesammelt. Was war los? Warum sollte ich nun als frisch gebackene Absolventin einer guten Universität inklusive gutem Abschlusszeugnis wieder ein Praktikum machen?
„Du musst dich erstmal beweisen“ sagten sie. Du sollst erst mal zeigen, wie hart du arbeiten kannst. Mache Überstunden und häng dich voll rein. Mache deinen Mund nicht auf. Habe keine eigene Meinung und verbiege dich. Damit du ihnen gefällst. Denn du willst ihnen ja gefallen. Schließlich locken sie dich mit einem befristeten Vertrag. Am Ende des einjährigen Praktikums. Versteht sich. Wenn du es denn auch gut machst und du dich durchsetzen kannst. Noch heute bleibt es mir unerklärlich: Wie kann bitte so gut ausgebildeter Nachwuchs, wie wir es sind/waren, die schon während des Studiums gelernt haben, ihre Zeit effektiv einzuteilen und organisiert und selbständig zu arbeiten, trotzdem im „Praktikumsloch“ feststecken? Das ist nicht nur langfristig für mich frustrierend, sondern auch den Unternehmen gehen langfristig gesehen, qualifizierte Arbeitskräfte verloren. Diese Rechnung würde niemals aufgehen und so wehrte ich mich dagegen und verlor zwar meine Praktikumsstelle, durfte mich aber wenig später über einen Job in führender Position freuen.
Die Zukunft unserer Kinder
Wie sehr sich die Zeiten verändert haben, merken wir meist nur, wenn wir uns bewusst Gedanken darüber machen, wie die Welt vor fünf, vor zwanzig oder gar zweihundert Jahren noch aussah.
Früher wurden Trends noch von der Elite bestimmt - also von Königshäusern und Adeligen. Die persönliche Entfaltung des Volkes? Eher schwierig. Doch mit der französischen Revolution veränderte sich auch das System, der Adel wurde gestürzt und die breite Masse hatte eine Stimme. Politik, Mode, Gesellschaft und bestehende Muster wurden nun hinterfragt. Im 20. Jahrhundert gab es solche Entwicklungen immer öfter - wie beispielsweise die Hippie-Bewegung. Aus einer Grundstimmung heraus entwickeln sich solche Phänomene und verbreiten sich - haben meist anfangs nicht viel miteinander zu tun, verbinden sich dann aber am Ende zu einem großen Ganzen: Friede, freie Liebe, Selbstbestimmung, Feminismus, Anti-Establishment - das alles manifestiert sich in einer Megatrend-Bewegung und schlägt dann auf andere Bereiche, wie Mode, Essverhalten und Jobs über.
Und weil das Internet für jede Strömung eine Bühne bietet, vor der sich ein Publikum versammeln kann, spielt Social Media eine immer größere Rolle.
Ja - unsere Welt hat sich in den letzten 30 Jahren ziemlich verändert. Für uns, die wir täglich in unserem Alltagstrott sind, entwickelt sich alles ganz beiläufig und die Evolution dieser Zeit geht fast unbemerkt voran.
Unsere Kinder werden heute in eine Welt geboren, die sich stetig, so schnell weiterentwickelt und täglich verändert - was heißt da also eigentlich noch auf die Zukunft vorbereiten? Ist es dann tatsächlich mit einer simplen Banklehre getan, wie es sich unsere Eltern für uns immer gewünscht haben? In Zeiten, in denen der Beruf des digitale Nomaden schon kaum mehr eine Seltenheit ist. Jedes Jahr verdoppeln sich die Neuheiten, Erfindungen und neuen Erkenntnisse. Der Stoff, den Studenten in der ersten Hälfte eines vierjährigen Studiums erlernen, ist im dritten Jahr schon wieder veraltet. Neben den gesteigerten Anforderungen an die Qualität der Arbeitnehmer von morgen, wird auch ein höheres Maß an Flexibilität erforderlich sein. Hatten unsere Eltern ein bis zwei Jobs in ihrem Leben, werden unsere Kinder sicherlich zigmal ihren Job wechseln, bevor sie 38 Jahre alt sind. Denn der Arbeitsmarkt ist ständig in Bewegung, Jobs werden öfter frei – aus einer Reihe von Gründen: Keines unserer Kinder arbeitet lebenslang für eine Firma, sondern wechselt alle paar Jahre den Job, arbeitet auch mal monatelang nicht. In der Zeit muss man Energie in die Fortbildung stecken, um sich für den globalen Konkurrenzkampf weiterzubilden. Denn 2030 gilt: Ausbildung ist wie Milch – das Verfallsdatum ist schon aufgedruckt.
Die Anforderungen sind klar: Man muss flexibel und mobil sein, häufig Job und Stadt wechseln, mit unregelmäßigen Arbeitszeiten klarkommen
Wir Eltern müssen unsere Kinder also, gemeinsam mit den Ausbildern, auf Jobs vorbereiten, die es heute noch gar nicht gibt. Sie werden Technologien nutzen, die noch gar nicht erfunden sind und Probleme lösen müssen, von denen wir heute noch gar nicht erahnen, dass es Probleme sind.
Also nein: Eine „Nummer sicher“-Karte, die gibt es schon lange nicht mehr.
Wir können also nur schwer erahnen, in was für einer Welt sich unsere Kinder später durchschlagen müssen. Welche Herausforderungen auf sie warten. Und wisst ihr was - ehrlich gesagt zerbreche ich mir darüber auch kaum mehr den Kopf. Wie sie denn wohl aussehen wird: die Zukunft unserer Kinder. Denn die Zukunft lässt sich nicht vorhersagen. Wer weiß denn schon, was morgen, gar irgendwann mal sein wird?
Und doch können wir einiges tun.
Wir können Ruhe bewahren. Jetzt und in Zukunft. Denn auch wenn unsere Kinder nicht absolut fokussiert ein Ziel verfolgen oder eben auch eine Ausbildung durchziehen, sondern sich zwischendurch umorientieren wollen, sollten wir sie darin unterstützen. Denn diese breitere Basis wird ihnen in der Arbeitswelt vielleicht irgendwann nützen, in der vor allem eines gefragt ist: Flexibilität!
Wir können ihnen dabei helfen, ein gutes Verhältnis aufbauen, Beziehungen zu führen. Nicht nur "Hallo" zu sagen, sondern mal bei Einkäufen mitzuhelfen. Wann immer möglich, versuche ich, meine Kinder hinein schnuppern zu lassen. In andere Wohn- und Lebenswelten, in andere Kulturen und Lebensräume. Ihnen Akzeptanz und Respekt vorzuleben. Wir können ihnen Vertrauen schenken und sie über den Tellerrand blicken lassen. Sie zu starken, selbstbewussten Menschen heranwachsen lassen. Personen, die Kritik verpacken können. Sie nicht persönlich nehmen, sondern daran wachsen. Sich nicht ducken. Sich nicht schämen auch mal anzuecken. Ich wünsche mir, dass sie sich nicht über ihr Äußeres definieren müssen. Sie sollen lernen, zu den eigenen Qualiäten zu stehen und sich durchsetzen. Kämpfen - für ihre Träume, für ihre Wünsche. Fehler nicht als etwas Negatives zu sehen, sondern als Chance. Sie einfach Kind sein lassen. Kinder, die selbst die Welt entdecken. Aus der Ferne voller Stolz dabei zuschauen, wie sie sich entwickeln, um am Ende doch immer da sein. Dann, wenn sie meine Hilfe suchen.
Die Zukunft bietet für unsere Kinder eine Fülle an Chancen und Möglichkeiten, von denen wir wahrscheinlich in unseren kühnsten Träumen nicht geglaubt hätten, dass sie möglich sein könnten.
Eure Teresa
Fotocredit: Sophie Biebl