Basti und ich hatten den gleichen Traum: Ein schönes, großes Haus für unsere Familie. Kaufen und selbst sanieren. Ein gestandenes Haus sollte es sein. Kein Neubau. Ein altes Haus, dem wir unseren eigenen Stempel aufdrücken können. Uns austoben und ausleben können. Mit Platz. Für uns und unsere Kinder.

Genau das war unser Wunsch. Lange haben wir nach einem passenden Objekt in unserer Gegend gesucht. Doch irgendwas war immer. Entweder trafen wir auf Häuser, die bereits auseinander fielen, zu Preisen, die man hier gar nicht laut aussprechen möchte oder eben die Lage passte uns nicht. Im Ruhrgebiet noch einmal eine ganz andere Herausforderung und ein schwieriges Unterfangen. Oft stimmte der Schnitt nicht, das Grundstück war zu klein, zu groß oder die Zwangsversteigerung platzte. Es gab viele Gründe, doch am Ende sollte alles so sein, wie es kam - und es war: perfekt. Es hat sich ausgezahlt, dass wir keine Kompromisse eingehen wollten. Und wenn es doch etwas länger gedauert hätte. Wir wollten warten, bis wir es finden würden: unser Traumhaus.

Was zuvor geschah …


Wir hatten es ja auch nicht eilig. Schließlich wohnen wir bereits in einem, wenn auch kleinen, aber wunderschönen alten Zechenhaus, das Basti selbst vor ein paar Jahren saniert hatte. Lange, sehr lange vor mir und zu einer anderen Zeit in seinem Leben, hatte Basti sich sein erstes Haus gekauft und es um- und ausgebaut. Aber eben nicht mit mir. Ja – er war vorausschauend und die Tatsache, dass wir nun bereits eine Immobilie besitzen hat uns den Kauf einer neuen natürlich um einiges vereinfacht. Aber all die Entscheidungen, die er traf, zugegeben sehr gute, aber – ob Küche, Tapete, ob die Farbe der Wände oder die Fliesen im Badezimmer – all diese Entscheidungen traf er ohne mich. Und auch wenn ich mich in diesem Haus immer sehr wohl gefühlt habe, wurde es nie zu meinem Zuhause, zu unserem Zuhause. Es war nie unser gemeinsames Nest.

Ihr merkt: Der Mann macht das hier nicht zum ersten Mal. Und wer kann von sich schon behaupten, in seinem Leben zwei Häuser umgebaut zu haben? Neben Job und Familie. Ok, das erste Mal hat Basti einfach vorausschauend gehandelt. Nach dem Motto: “Warum Miete zahlen, wenn ich kaufen kann?”, hat er sich bereits in seinen jungen Jahren eins zugelegt. Knapp 90qm auf zwei Etagen verteilt. Der wunderschöne, große Garten macht die kleinen Räume im Inneren des Hauses mehr als wett. Insbesondere im Sommer gibt es nichts Schöneres, als dort Zeit zu verbringen. Die Kinder lieben ihn. Toben, rennen und erkunden dort einfach alles. Laufen rüber zum Nachbarn, pflücken dort Tomaten oder holen sich ein Eis ab. In diesem Sommer gab es tatsächlich Tage, an denen wir von morgens bis abends unsere Zeit im Garten verbracht haben. Ein schöner Garten – ja, den sollte unser neues Haus auch haben. Und mehr Räume. Mehr Platz. Auch für meinen Vater, der seit Anfang des Jahres so einige schwere Operationen gemeistert hat. Und doch sitzt er nun im Rollstuhl und braucht Gesellschaft. Liebend gerne von uns. Ja, Platz - den haben wir nun - im neuen Haus.

Es kommt, wie es kommt….


Von jetzt auf gleich Familie. Ja – das ist unsere Geschichte. Bastis und meine. Natürlich überraschte das Ganze damals nicht nur uns, sondern auch unser gesamtes Umfeld. Viele Bekannte und sogar Freunde hätten wahrlich mit solch einer Entwicklung gar nicht gerechnet. Denn ich wurde schwanger. Plötzlich. Sehr plötzlich. Nach nur sehr kurzer Zeit. Und unsere Entscheidung? Wir beschlossen, das Projekt Beziehung, Schwangerschaft und Familie gemeinsam zu versuchen und zu starten. Nach dem Motto: Garantie hast du nie. Und wenn es nicht klappt, dachten wir, so hätten wir es zumindest versucht. Wie viele Beziehungen scheitern nach fünf, sieben oder zehn Jahren. Einen Versuch war es wert. Und käme es doch zu einer Trennung, ließe sich auch das erwachsen klären. - So die Abmachung.

Und so wagten wir uns in dieses Projekt. Und was soll ich euch sagen? Es lief gut. Richtig gut. Insbesondere als nach den ersten euphorischen Wochen nach der Geburt das Kind anfing, unseren Alltag zu beherrschen, die Zweisamkeit verschwand und nicht mehr viel Zeit für eine junge, noch wachsende Liebesbeziehung war. Aber sie wuchs sogar daran. Es funktionierte. So wunderbar.


Wir sind bereit!

Und jetzt stehen wir vor einem weiteren, neuen Projekt: unserem Haus. Ob wir das wuppen? Ich denke schon. Wir sind ein gutes Team und haben schon so einiges geschafft und zusammen durchgestanden. Zwei Geburten und ein Jahr “zwei unter zwei”. Kaiserschnitt und Blitzgeburt. Kurze Nächte und zig Wutanfälle. Asien und Mexiko. Langstrecken Flüge und Inselhopping. Zwei Monate Backpacking – mit Baby in der Trage. Vier Wochen Toskana. Einen Monat Cancun, Tulum, Merida und Holbox. Eine Millionen Essensreste von Böden beseitigt. Berge an Wäsche. Unendliches Glück und Freude. Nervenzusammenbrüche und Tränen. Alles nah beieinander. In sehr kurzer Zeit. Elternwerden ist wohl die größte Veränderung im Leben. Es ändert alles: uns, unsere Beziehung und unseren Alltag. Gib Dir und Deinem Partner Zeit dafür. Alle Emotionen zwischen größtem Glück und tiefer Enttäuschung gehören mit zu diesem Prozess. Und wir haben es zugelassen. Uns gegenseitig geholfen und aufgefangen. Oh ja – Eltern sein ist ein ganz besonders wilder Ritt. Hat uns oft genug an unsere Grenzen gebracht und doch: Der Alltag mit den kleinen Mädels macht uns sehr glücklich. Denn zwischen all den Windeln, Wundsalben und herumliegendem Spielzeug, zwischen Weinen und Lachen, zwischen schlaflosen Nächten und müden Kinderaugen – ja, inmitten all dem genießen wir unser Leben. Unseren selbstbestimmten Alltag. So wie er kommt. In vollen Zügen…

Die Frage nach dem wohin


Als das Thema dann mit der zweiten Schwangerschaft auf den Tisch kam und wir uns mit dem Gedanken auseinandersetzen mussten, dass es in naher Zukunft hier in diesem, unserem alten Haus, doch sehr eng werden könnte, stellte sich uns zunächst nach dem “Wann?” eine ganz andere Frage: Was (!) wollen wir und was brauchen unsere Kinder?
Ja, früher oder später kommen sie – ganz sicher. Der Gedanke und die Vorstellung von einem kleinen, friedlichen Bullerbü. Einem Platz, an dem wir wohnen und unsere Kinder aufziehen können. Ok, keine Frage, wenn wir jung und wild sind, denken wir erst einmal an solch eine Zukunft ganz sicher nicht. Dann möchten wir diesem heimischen Idyll doch eher noch entfliehen und haben das Bedürfnis, rauszukommen. Einfach raus - in die große weite Welt…
Unzählige Menschen und lauter, dichter Verkehr: irgendwie fiel mir das damals nie so wirklich auf. Störte mich nie. Nervte mich nie. Ganz im Gegenteil. Täglich aufs Neue fremde Menschen zu treffen, sie kennenzulernen, ihren Geschichten zu lauschen und vielleicht sogar einen kurzen Lebensweg mit ihnen zu teilen – das fand ich unglaublich spannend. Bis sie dann weiterzogen. All diese Menschen, die sich nur für eine kurze Zeit in meiner Stadt aufhielten und sie dann wieder verließen.

 

Unverbindlichkeit trifft auf Oberflächlichkeit


Aber hey – man hatte eine schöne Zeit. Beim hippen Italiener, im coolsten Viertel der Stadt. Trank gemeinsam in der angesagtesten Bar einen Cocktail oder ein Bier, um dann weiterzuziehen. In die nächste laute und volle Location. In den nächsten Club. Um dann dort mit all den anderen bis früh morgens zu feiern. Dort, wo man dann auch wieder neue Bekanntschaften knüpfte. Aber eben auch nur Bekanntschaften. Ja – all das ist unglaublich abwechslungsreich. Aber auch so unglaublich oberflächlich. Und irgendwann ist auch all das so unglaublich ausgereizt.
Denn irgendwann bekommt all das einen fahlen Beigeschmack. All diese „Freundschaften“. Man trifft sich „auf ein Glas Wein“ oder zum Essen, mal kocht der eine, mal der andere – man plaudert, man erzählt sich, wie das Leben so läuft – und dann geht jeder wieder seiner Wege, in sein eigenes Leben zurück. Wir wohnen in Trendbezirken und kennen uns doch alle nicht. Unsere Nachbarn bekommen uns höchstens alle sechs Monate mal zu Gesicht. Dann, wenn jemand mal kurz und zügig durchs Treppenhaus huscht. Und wenn die grundlegenden, sozialen Kontakte nicht bereits im Kindesalter entstanden sind, man neu zugezogen ist, ja da kann es in so einer Großstadt schon ziemlich einsam sein.

Richtig – hier spricht ein waschechtes Großstadtkind. Dort geboren, dort großgeworden. Mit vielen sozialen Kontakten. Mit Freunden, die ich noch vom Sport kenne. Mit Freunden aus Grundschule und Gymnasium. Für mich war die Großstadt weder anonym, noch fremd. Und ich kann es nicht verleugnen: Auf der einen Seite habe ich es verflucht, auf der anderen Seite habe ich es geliebt. Denn: Alles war immer da. Von den Einkaufsmöglichkeiten bis hin zu einer großen Auswahl an unterschiedlichsten Freizeitaktivitäten. Von der Pizza mittags, gar aus dem eigenen Ristorante, in dem es rund um die Uhr lebhaft zuging, bis hin zum spontanen DVD Abend mit all meinen Freunden, die direkt um die Ecke wohnten. Die immer schnell erreichbar waren. Zu denen ich immer schnell zu Fuß oder mal eben mit der Bahn düsen konnte. Ballett, Turnen, sogar Tennis.

Stadtleben vs. Landleben


Aber wünsche ich mir das auch für meine Kinder? Oder doch lieber eine Umgebung, die weniger hektisch ist. Die nicht mit unzähligen Verführungen und Alternativen lockt. Vor genau dieser Entscheidung standen wir. Stadtleben vs. Landleben. Und ich konnte es mir so gut vorstellen: ein Haus, mitten auf dem Land, doch nicht allzu weit weg von der Stadt. Und doch fernab von eben dieser Hektik. Umgeben von Feldern und Bauernhöfen und riesigen Pfützen, zum reinspringen. Umgeben von einer Ruhe, die wirklich beruhigt. Diese Leichtigkeit. Fernab von all den Menschen, die immer noch nächtelang ausgehen, um festzustellen, dass sie mittlerweile eine Woche brauchen, um sich davon zu erholen. Fernab von all den Mamas und Papas, die sich auf dem Spielplatz über ihre Jobs austauschen. Die sich untereinander fragen, was ihre Kinder denn schon alles können. Und hier – mitten im Ruhrgebiet, mit seiner unfassbar gut ausgebauten Infrastruktur, fanden wir: unser Nest. Hier, in unserem Ort locken keine hundert Italiener oder zahlreiche Shops, die mich zum kaufen verführen könnten. Und wisst ihr was – so bleibt uns mehr Geld, um sich wirklich tolle Dinge leisten zu können. Und dabei rede ich nicht von oberflächlichen Konsumgütern, wie tolle Handtaschen oder teure Schuhe. Nein, ich rede von tollen Reisen. Um vom vermeintlichen Land aus die Welt zu entdecken.
Und wir werden ja sehen, wie es wird. Aber seid euch sicher: Ich werde euch auf dem Laufenden halten. ‍

Eure Teresa

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